Von Blues zu Heavy Metal

Nach der großen Depression durch einige unfreiwillige Baustopps und viele kleine Schwierigkeiten geht es endlich weiter mit Metall. Es ist Ende Juli und der Himmel über meiner norddeutschen Heimat öffnet seine Schleusen. In drei Tagen fallen etwa 120 Liter Regen. Derweil sind wir mit dem Fiat Ducato unterwegs, um eine Woche Auszeit auf dem Holy Ground von Wacken zu genießen. Mit mehr Glück als Verstand schaffen wir es verhältnismäßig problemlos auf unsere Parzelle. Diese steht nicht unter Wasser und wir richten uns in unserem Camp ein.

Wacken 2023

Nach einer Woche mit modischer Gummistiefel-Tracht, nordischer Gelassenheit und reichlich guter Musik schaffen wir es aus eigener Kraft zurück auf die Straße gen Süden. Mit frischer Energie gehen wir in der zweiten Urlaubswoche ans Werk bei Magnus für den Fahrwerksumbau. Dieses Mal haben wir keine helfende dritte Person an Bord. Das wird die Sache nicht einfach machen, aber davon wissen wir zu diesem Zeitpunkt ja noch nichts. Dafür feiern wir quasi eine Premiere: erstmals geht unsere Planung auf und die just-in-time Lieferung aller benötigten Fahrzeugteile klappt. Auch sämtliches Werkzeug liegt bereit.

Die neuen Räder liegen schon bereit

Bevor wir überhaupt anfangen, verteilen wir großzügig Kriechöl auf jede Schraubverbindung, die wir bearbeiten müssen. Dies lassen wir eine Nacht einwirken und dann geht es los. Zunächst rücken wir allen Radmuttern mit einem großen Hebel zu Leibe, später dann den Federbügeln, den Stoßdämpfern sowie den Abdeckkappen der Lagerbuchsen. Mit reichlich Kraft und Zeit lösen sich schließlich alle Verbindungen. Einzig die hinteren Briden lassen sich nicht mehr von ihren Aufnahmen trennen. Hier helfen nur noch der Winkelschleifer und die rohe Gewalt eines Vorschlaghammers. Gut, dass alte LKW so robust gebaut waren. Nun ist alles für den Austausch von Rädern und Blattfedern vorbereitet.

Um die alten Teile zu demontieren, muss der Wagen aufgebockt werden. Im ersten Schritt heben wir das Heck des Wagens stückweise mit einem Wagenheber am Getriebe an und setzen den Fahrzeugrahmen auf Böcken ab. Daraufhin können wir den ersten Zwillingsreifen abnehmen, direkt gefolgt von dem der gegenüberliegenden Seite.

Aufgebockt am Heck und erster Zwillingsreifen entfernt
Vergleich der neuen Einzelbereifung zum alten Zwilling

Für den Wechsel der Achsaufhängung muss der LKW jedoch noch deutlich weiter hochgebockt werden, um die Federn vollständig zu entlasten. Die Achsen hängen wir jetzt mit Spanngurten am Rahmen auf, damit wir die fahrer- und beifahrerseitigen Federn in einem Arbeitsgang wechseln können. Würden wir Rad für Rad vorgehen, verhindert die Schiefstellung der Achse, dass wir später die neuen Federn in ihre Aufnahmen einfädeln können. Wir heben also das Wagenheck weiter an. Ab hier wird es nervenaufreibend, denn der LKW steht nur noch auf zwei Unterstellböcken und schwankt bedrohlich bei jeder Manipulation. Sollte er jetzt abrutschen, fällt er direkt auf seine Hinterachse. Wir ziehen die Nadellager und können so die erste Blattfeder herausnehmen. Die gleichen Schritte folgen auch auf der anderen Seite. Die Achse wird nun lediglich von den Spanngurten gehalten. An den Gurten lassen wir sie vorsichtig noch etwas herab, um Platz für die neuen, deutlich stärker gebogenen Parabelfedern zu schaffen. Zu unserer Überraschung hängt die Achse aber nicht waagerecht. Wir stellen nach einiger Fehleranalyse fest, dass der Stabilisator für die neue Achsposition zu kurz ist und daher an der Kardanwelle anschlägt. Wir lösen also auch diese Verbindung und werden die Halterungen später um zehn bis fünfzehn Zentimeter verlängern müssen. Nachdem wir die Achse mit Hilfe der Spanngurte und zwei Wagenhebern korrekt ausgerichtet haben, ist es schließlich möglich, die neuen Federn anzubringen.

Die Montage ist sehr anstrengend, da jede Feder etwa sechzig Kilogramm wiegt. Wir positionieren sie also zunächst gemeinsam an ihren Platz. Manuel hält sie daraufhin auf der Bremstrommel sitzend an Ort und Stelle, während ich die Nadellager wieder in die Buchsen schiebe. Zum Schluss setzen wir neue Stoßdämpfer ein und schrauben die neuen Federbriden fest. Der erste erleichternde Schritt ist somit komplett, denn nun hat die Achse wieder eine feste Verbindung zum Fahrzeugrahmen.

Um den Wagen wieder sicher von den Böcken ablassen zu können, montieren wir die neue Einzelbereifung an der Hinterachse. Als Magnus wieder auf seinen eigenen „Beinen“ steht, sind wir sehr zufrieden. Der Rahmen liegt ein gutes Stück höher als vor dem Umbau – wie viel genau werden wir erst nach der Anpassung der Vorderachse wissen. Da wir uns für die Reifendimension 385/65 R22.5 und gegen eine signifikante Höherlegung entschieden haben, ist der Unterschied maßgeblich auf die Spannung der neuen Parabelfedern zurückzuführen. Zu zweit hat uns der Umbau einer Achse einen ganzen Tag gekostet und es war sowohl körperlich, aber auch mental anstrengend. Gegen 1 Uhr schieben wir den LKW zurück an seinen Stellplatz.

Zufriedenheit und Erleichterung nach dem ersten Tag
Start der Arbeiten am zweiten Tag

Am nächsten Tag widmen wir uns der Vorderachse. Grundsätzlich sind alle Schritte gleich, allerdings ist der Raum unter dem Motorblock und Fahrerhaus viel eingeschränkter als an der Hinterachse. Das erschwert natürlich vor allem die Ausrichtung der neuen Federpakete. Auch schwankt Magnus auf den Böcken noch erheblich stärker, da sein Motorblock und Fahrerkabine das schwerere und höher aufbauende Wagenende darstellen. Wir sind also noch behutsamer bei allen Arbeitsvorgängen. Auch an der Vorderachse blockiert der Stabilisator die Ausrichtung der Achse, aber auf diesen Fehler waren wir jetzt ja vorbereitet. Außerdem kann der vordere Stabi einfach anders eingestellt werden, während der hintere einen echten Umbau erfordert. Mit der Erfahrung vom Hinterachsumbau gehen die Arbeiten schon schneller von der Hand, aber es kostet uns dennoch circa zehn Stunden, bis Magnus auf seinen vier neuen Rädern rollen kann.

Die Vorderachse mit neuen Federn und Dämpfern

Der Fahrwerksumbau war ein großer Schritt voran, der auch eine deutlich sichtbare Veränderung gebracht hat. Magnus ist im leeren Zustand um gut siebzehn Zentimeter gewachsen – das wird natürlich noch etwas weniger sein, sobald er voll beladen ist. Auch der Komfort im Fahrerhaus hat sich erheblich verbessert. Die alten Stoßdämpfer waren mittlerweile nahezu funktionslos – vor allem der fahrerseitige. Jetzt ist es spürbar weniger wackelig, sobald man sich in der Fahrerkanzel bewegt.

Federpakete – alt vs. neu

Bei allen positiven Effekten, die sie gebracht haben, muss ich persönlich diese Arbeiten nicht so schnell wieder durchführen. Es waren aufregende und gleichzeitig ermüdende Tage, aber zumindest wissen wir mittlerweile, wie es gemacht wird. Sollten wir jemals einen Defekt am Fahrwerk haben, sind wir sicher, dass wir ihn auch lediglich zu zweit werden beheben können. Glücklicherweise ist uns auch kein Fehler unterlaufen und wir haben keine Kollateralschäden am Fahrzeug verursacht. Und klar: Magnus sieht natürlich erheblich cooler aus mit der breiten Einzelbereifung und seiner neuen Gesamthöhe.

Die neue Frontansicht von Magnus
Magnus nach dem Umbau von der Seite

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*