Hier möchte ich einmal das Wort ergreifen, um mich persönlich vorzustellen. Ich heiße neuerdings Magnus Eldurson. Ich bin ein Iveco-Magirus 90-16 AW. Was das bedeutet, da komme ich später zu…
Zunächst einmal wurde ich – wie alle meine Kollegen auch – von Magirus-Deutz in Ulm entworfen und gefertigt. Da prangte zwar schon ein Iveco Logo auf unseren Kühlergrills und unseren Lenkrädern, aber das war auch das Einzige, was Iveco zu meinem späteren Äußeren und Inneren beigetragen hat. Iveco und Magirus-Deutz fusionierten Anfang der 1980er Jahre endgültig und produzierten fortan unter dem Namen Iveco-Magirus. Ich bin aber noch eine echte Entwicklung von Magirus-Deutz.
Im November 1988 trat ich als ganz junger, unerfahrener LKW in den aktiven Dienst bei der Feuerwehr Dortmund ein. Da war ich ein stolzes Katastrophenschutzfahrzeug LF16-TS. Ich kam leider viel zu selten zum Einsatz, aber wenn, dann hat es immer viel Spaß gemacht. Ich hatte zwar keinen eigenen Wassertank, aber eine kräftige Vorbaupumpe und eine eigene Tragkraftspritze im Heck. So konnte ich 1.600 Liter pro Minute pumpen und zusammen mit der Tragkraftspritze noch mal 800 bis 1.000 Liter pro Minute mehr. Da habe ich viele Feuer gelöscht, aber noch mehr Überschwemmungen eingedämmt. Während der Bereitschaftsdienste wurde ich dann liebevoll gepflegt und durfte den Ausblick aus unserer Garage genießen. Das Tor stand meist offen. Daher bin ich über die Jahre ein wenig blasser um die Nase geworden.
Eines Tages im Januar 2020 hat mich die Feuerwehr in Rente geschickt und ich wurde außer Dienst gestellt. Das hat mich hart getroffen. So alt bin ich doch noch gar nicht! Im vorherigen Jahr habe ich noch meine letzte Sicherheitsprüfung bestanden und TÜV besitze ich auch noch bis Mitte 2020. Ich kann und will noch viele Einsätze fahren! Meinen Protest ignorierend wurden mir sämtliche feuerwehrtechnischen Einbauten und Geräte herausgerissen. Jetzt war ich endgültig ein trauriger Veteran, der nur noch wenig seines früheren Glanzes versprühen konnte. Mein Fahrerhaus sah verwüstet aus – mein Aufbau war vollständig leer geräumt. Ich hatte Angst, was nun kommen würde. Würde ich zum alten Eisen auf einen Schrottplatz geparkt werden? Oder schlimmer, vollständig ausgeschlachtet und demontiert werden?
Kurze Zeit später erfuhr ich, dass die VEBEG mich versteigert an einen neuen Besitzer. Das klingt aufregend. Hoffentlich kauft mich eine andere freiwillige Feuerwehr, bei der ich noch lange meinen Dienst verrichten darf!
Aber es kommt anders. Ein Baumaschinenhändler aus Norddeutschland kauft mich mit vielen anderen Kollegen, die alle in meinem Alter und mehr oder weniger gesund sind. Wir werden auf einen schlammigen Betriebshof zusammengepfercht mit einigen anderen Baumaschinen und militärischen LKW. Da stehe ich nun inmitten von dreißig anderen Feuerwehren und bestimmt zwanzig weiteren Veteranen anderer Berufsgruppen. Ich stehe draußen im Regen, um ich herum bilden sich Pfützen (ja, das ist im norddeutschen Frühjahr eben so) und mein Lack fängt langsam aber sicher an zu leiden. Das tut ganz schön weh. Hinzu kommt die gähnende Langeweile. Meine Kollegen und ich werden immer verzweifelter. Ich werde nicht bewegt. Meine Reifen stehen still und verlieren mehr und mehr Luft. Das Öl sickert langsam, aber unaufhaltsam aus meinem Kreislauf. Meine Batterien entladen sich zusehends. Es fühlt sich schrecklich an. Jetzt werde ich wohl doch alt… Immer mal wieder taucht ein Lichtblick in Form von interessierten Menschen auf, aber an mir laufen sie alle vorbei. Das ist hier wohl nicht der beste Parkplatz! Nach und nach werden die gesündesten meiner Kollegen verkauft – die kränklichen bleiben stehen und haben wohl ein trauriges Schicksal vor sich. Eigentlich gehöre ich doch zu den fittesten LKW auf dem Hof! Warum sieht mich denn keiner?
Da kommen zwei Menschen, die sich für meine Kollegen interessieren. Ich stehe seit Wochen in der hintersten Ecke versteckt hinter Baumaschinen und größeren Feuerwehren. Sie schauen sich für viele Stunden alle 90-16er auf dem Hof einzeln an. Ich versuche auf mich aufmerksam zu machen, aber an diesem regnerischen Morgen, es ist der 19. Juni 2020, fällt es mir schwer, mit meinem knallroten Lack zu blinken. Ich werde übersehen. Oh nein!
Zum Schluss, die beiden wollen gerade den Hof verlassen, lugt die Sonne hinter den dichten Wolken hervor. Die beiden sehen mich und mein schönes rotes Lackoutfit mit den gelben Reflexstreifen. Endlich! Das muss ja mal auffallen. Sie schauen mich von oben bis unten genauestens an und scheinen sehr interessiert an mir. Nach weiteren zähen Minuten von Verhandlungen sind sie von den Preisvorschlägen des Verkäufers enttäuscht. Sie verlassen dann doch den Betriebshof. Ohne mich.
Ich wollte schon wieder in ein trauriges Dösen verfallen, da kommt der Verkäufer auf mich zu und bringt einen Starter in meine Richtung. Tatsächlich, er will mich anlassen. Ich gebe mir alle Mühe und springe sofort an. Endlich darf mein Motor wieder laufen. Das fühlt sich großartig an. Ich stinke zwar noch ein wenig, aber mein Motor läuft rund. Ganz langsam kehrt die Energie in meine Batterien zurück.
Und da sind wieder die beiden Menschen. Sie kommen mit einem Lächeln auf mich zu, setzen sich in mein Fahrerhaus und wir fahren zusammen auf eine Proberunde in die Nordheide. Ich zeige mich natürlich von meiner besten Seite. Meine Batterien sind allerdings noch schwach – so fehlt gelegentlich die Elektrik für die Beleuchtung und die Lüftung. Mein Motor läuft aber weiter und ich fahre wie eine Eins.
Wieder eine Schrecksekunde! Nach wenigen Metern drehen wir um und fahren zurück zum Betriebshof. Bitte nicht! Aber ein Glück – sie wollen mich nur ein wenig laufen lassen, um meine Batterien zu laden. Derweil kippen sie mein Fahrerhaus und schauen sich mein Herzstück an – meinen schicken Deutz Motor. Der ist in tadellosem Zustand, brummt ruhig vor sich hin und nirgendwo lässt sich ein Leck finden. Ich bin halt gut gepflegt. Naja, meine Achsen sind vielleicht ein wenig übermäßig gut geschmiert. Die beiden Menschen scheinen mir sehr aufgeregt und begeistert. Sie sprechen mich fortan mit Magnus an. Das ist dann wohl mein neuer Name. Gefällt mir. Den Grund für die Namenswahl müssen sie mir später noch erklären, das spielt momentan aber keine Rolle. Wir brechen auf zu einer zweiten Runde Probefahrt, aber da ist die Sache schon klar. Sie werden mich in ihre Familie aufnehmen und wollen mich zu ihrem neuen Heim auf Rädern umbauen. Ich bin sehr neugierig und überglücklich!

Es vergehen weitere zwei Wochen, in denen ich auf Herz und Nieren geprüft werde, ein paar Roststellen am Feuerwehrkoffer überlackiert werden und ich eine kleine Kur für meine Batterien erhalte. Ich fühle mich fast wieder wie in meinen alten Zeiten bei der Feuerwehr. Mein schönes Fahrerhaus ist aber weiterhin chaotisch. Nun ja, das werden meine neuen Besitzer sicher bald ändern. Ich muss jetzt erstmal beim TÜV vorfahren, damit ich wieder eine Plakette und – ganz wichtig – mein H-Gutachten erhalte. Außerdem werde ich auf 7,49 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht abgelastet (gut, dass ich so leicht bin) und erhalte schließlich noch ein paar Kopfstützen für meine Sitze. Fertig! Jetzt kann es aus meiner Sicht losgehen.
Es ist der 3. Juli 2020. Endlich kommen meine neuen Besitzer. Sie heißen Mareike und Manuel. Ich warte schon abfahrbereit am Straßenrand auf sie. Sie fahren zur Straßenverkehrszulassungsbehörde, um ein paar Kurzzeitkennzeichen für mich zu holen. Diese bringen sie mit und schrauben sie noch schnell an. Jetzt geht es los! Manuel sitzt auf meinem Fahrersitz, Mareike daneben. Sie überprüfen die Liste der Mängel, die es zu beseitigen galt. Sieht gut aus. Doch was ist das? Der abgebrochene Hebel meiner Hinterachsquersperre wurde nicht getauscht. Das wurde wohl übersehen, obwohl sie es angemerkt hatten. Platzt jetzt der ganze Deal? Zum Glück nicht. Da kommen zwei Mechaniker mit Ersatzteilen und Werkzeug. Kurzerhand wird mein Fahrerhaus gekippt, die Schrauben der Sperreneinheit gelöst und der ganze Block einfach getauscht. So schnell geht eine Operation am offenen Herzen bei einem traditionellen LKW wie mir. Endlich werde ich wieder in Fahrposition gestellt und es kann losgehen. Manuel wird mich fahren, Mareike steigt in das kleine blaue Auto ein, das hinter mir geparkt ist. Nach Hamburg soll es gehen und morgen schon nach Augsburg. Ich habe keine Ahnung, wo das ist. Mir aber auch egal – mit meinen beiden neuen Lieblingsmenschen ist der Weg das Ziel!
Das ist nun also das Ende meines ereignisreichen Berufslebens und der Start in ein noch viel spannenderes Rentnerleben!
Achso, ich wollte ja noch sagen, was es bedeutet, dass ich ein Iveco-Magirus 90-16 AW bin. Iveco und Magirus habe ich oben schon erklärt. Die 90 in meinem Namen steht für mein zulässiges Gesamtgewicht von 9 Tonnen. Die 16 hingegen verschlüsselt die 160 PS (118kW), die ich aus meinem 6,1 Liter Deutz Sechszylinder Turbodiesel heraushole. Ich bin ein luftgekühlter LKW, was auch den Namen dieses Blogs erklärt. Außerdem habe ich einen sperrbaren Permanentallrad-Antrieb mit zusätzlicher Differentialsperre in der Hinterachse. Wer es jetzt ganz genau wissen will, der schaut einfach in mein Datenblatt.
Mareike und Manuel haben mir schließlich auch meinen Namen erklärt. Es musste ein Name mit „M“ sein. Einerseits, weil dann alle unsere Namen mit demselben Buchstaben beginnen und andererseits, weil ich ein Magirus bin. Da die beiden mit Vorliebe in skandinavische Länder nördlich des Polarkreises reisen und dies auch eines unserer ersten Ziele nach meiner Verwandlung in ein Reisemobil sein wird, musste mein Name nordisch sein. Bald fiel die Wahl auf Magnus, da dies an meinen Hersteller erinnert. Nun blieb noch die Frage des Nachnamens. Eldurson haben sie mich genannt. Dies soll mich stets an meine Vergangenheit als aktive Feuerwehr erinnern. Eldur heißt Feuer auf Isländisch. Das passt doch – der Sohn des Feuers. Sohn des Feuerlöschers hätte niemand aussprechen können 😉
Antworten