Auf der Suche nach dem Richtigen

Nach der ersten Enttäuschung, dass unsere sauber ausgearbeiteten Van-Pläne verworfen werden müssen, überwiegt nun doch die Vorfreude, jetzt das richtige Fahrzeug zu finden. Wir müssen uns daher aber komplett neu orientieren und informieren. Die Recherche fängt von Neuem an. Wo finden wir überhaupt diese großen Nutzfahrzeuge? Welche Preise sind realistisch, welche unverschämt? Wie altert ein LKW im Vergleich zum Kastenwagen – soll heißen, wo liegt unsere neue Altersuntergrenze? Welche typischen Verschleißerscheinungen muss man beachten bzw. auf welche Schäden sollte man das Fahrzeug überprüfen? Welche Unterschiede gibt es bei den verschiedenen Bauserien des Fahrzeuges? Wir werden viel lesen und lernen in den nächsten Wochen.

Zwar steht das Modell – ein Iveco-Magirus 90-16 AW – derweil fest, aber auch hier gibt es Unterschiede. Die Fahrzeuge wurden in großer Stückzahl an BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) – also Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW), usw. – ausgeliefert. Dies sind die Fahrzeuge die wir suchen. Dafür gibt es gute Gründe, die wir grob schon im vorherigen Beitrag umrissen haben.

Das Suchen

Eine wichtige erste Erkenntnis für uns ist, dass sich diese Art von Nutzfahrzeugen nicht auf den einschlägigen Fahrzeugbörsen im Internet finden, die ein PKW-Käufer üblicherweise verwendet. Die besten Resultate erhalten wir, indem wir das Modell einfach mal googeln und uns intensiv auf Kleinanzeigenportalen umsehen. Hier findet man viele private Verkäufer, aber auch kommerzielle Zwischenhändler inserieren hier. Teilweise mit guten Konditionen. Die besten Preise erzielt man wohl direkt bei der VEBEG, die ausgemusterte Fahrzeuge der BOS versteigert. Da die gesamte Plattform auf Gebotsbasis beruht, ist eine Preisvorhersage schwer zu treffen. Man muss es einfach versuchen und Geduld mitbringen, da mal mehr und mal weniger Kontingente eines gewünschten Fahrzeugtyps versteigert werden.

Bereits kurz nach Beginn unserer Recherchen fühlen wir uns bestätigt in unserer Entscheidung, nun in der LKW-Klasse nach geeigneten Fahrzeugen zu suchen. Wir finden auf Anhieb eine Vielzahl von angebotenen 90-16ern im Internet. Vielleicht müssen wir ja doch nicht die erwarteten ein bis eineinhalb Jahre warten, bis sich eine gute Kaufoption auftut und wir unsere Ideen endlich in die Tat umsetzen können.

Bei privaten Anbietern finden wir meist jedoch nur Fahrzeuge, die nicht unbedingt in einem hervorragenden Zustand sind und/oder ziemlich überteuert angeboten werden. Hier erscheint uns ein Ausfallrisiko zu hoch aufgrund des bei Privatverkäufen üblichen Gewährleistungsausschlusses. Auch könnte hier eine Menge unentdeckte Arbeit an uns hängen bleiben. Schließlich hat es ja einen Grund, dass jemand sein Reisemobil-Projekt aufgibt… Wir schieben daher den Kauf von Privat auf den letzten Platz unserer favorisierten Quellen.

Nun schauen wir intensiver bei der VEBEG. Hier finden sich auch einige attraktive Fahrzeuge, aber die Qualität variiert stark. Der Zustand ist lediglich auf Basis von Fotos schwer einzuschätzen. Die Fahrzeuge stehen quer über die Republik verstreut. Wenn es sich nicht in der Nähe befindet, lohnt eine Besichtigung für uns eher nicht. Daher scheuen wir von hohen Geboten auf ungesehene Fahrzeuge zurück und werden stets überboten. Ein auf den Fotos durchaus sehr attraktiv aussehendes Modell findet sich dann doch im Raum Leipzig – weit weg von uns. Es scheint aber in einem Top-Zustand zu sein. Wir bitten einen in der Nähe wohnenden Bekannten, der sich mit Gebrauchtfahrzeugen auskennt, sich den einmal anzusehen. Und tatsächlich: der wäre eine gute Wahl. Weil es sich um ein Fahrzeug mit Erstzulassung von 1994 handelt und wir somit die nächsten vier Jahre auf eine Geld sparende H-Zulassung verzichten müssen, bieten wir „nur“ 7.023 Euro. Wir werden überboten – der LKW geht für 9.044 Euro weg. Schade! Weitere gute Inserate folgen in den nächsten Wochen bei der VEBEG leider nicht.

Parallel durchforsten wir das Netz nach Zwischenhändlern, die zwar auch von der VEBEG einkaufen, aber noch ein paar Zusatzleistungen drauflegen können. Wir treffen auf eine Menge Händlerseiten, die den Fahrzeugtyp als „ideale Basis für ein Expeditionsmobil“ bewerben. Da steigen die Preise gleich mal auf das Doppelte. Der Zufall kam uns zu Hilfe und wir finden auf einer einschlägigen Fahrzeugbörse das Angebot eines Baumaschinenhändlers im Heidekreis. Er hat mindestens fünfzehn 90-16er auf dem Hof stehen. Hier sollte doch etwas dabei sein. Wir hatten ohnehin geplant, ein paar Tage im Juni im Norden zu verbringen. Da bietet sich ein Besichtigungstermin an, den wir kurzerhand vereinbaren.

Das Finden

Am 19. Juni stehen wir früh auf dem Hof und treffen tatsächlich eine große Zahl augenscheinlich geeigneter Feuerwehrfahrzeuge an. Leider ist der zuständige Verkäufer noch lange nicht im Betrieb, so dass wir uns mit dem vom Juniorchef überlassenen Schlüsselkasten etwa zwei Stunden die zahlreichen 90-16er im Alleingang anschauen können. Es fallen viele aufgrund eines schlechten Zustands raus – etwa sechs Fahrzeuge nehmen wir in die engere Wahl.

Der Verkäufer kommt auch endlich auf den Hof. Jetzt können wir konkret werden und einen Wagen für die Probefahrt auswählen. Drei Fahrzeuge müssen wir direkt wieder von unserer Favoritenliste streichen, da sie bereits verkauft sind. Bei zwei der verbleibenden Fahrzeuge ziert sich der Händler sehr, uns die Erledigung einer TÜV-Prüfung zu verkaufen. Da scheint wohl viel Arbeit für ihn drin zu stecken. Wir streichen auch diese Optionen von der Liste. Bleibt noch eine Feuerwehr aus Dortmund, die einen recht guten Eindruck macht zum Preis von 9.400 Euro. Schon teuer, aber immerhin würden wir hier den TÜV vom Händler erledigt bekommen. Das H-Gutachten möchte er uns aber nicht versprechen. Das hinterlässt bei uns kein gutes Gefühl. Dennoch wollen wir mit diesem LKW mal eine Probefahrt unternehmen. Der Verkäufer will das Fahrzeug vorbereiten und sucht den Zündschlüssel – eine gefühlte Ewigkeit lang – vergebens. So langsam sind wir genervt. Wir stehen seit vier Stunden im Regen, können uns aufgrund des schlammigen Untergrundes die Fahrzeuge nicht von unten ansehen und die Wahrscheinlichkeit, dass wir heute noch eine Probefahrt unternehmen sinkt. Wir entscheiden uns, unverrichteter Dinge abzuziehen und sind ziemlich enttäuscht.

Beim Gehen kommt die Sonne nun doch noch aus ihrem Wolkenschleier hervor. Am Tor fällt unser Blick auf einen total zwischen Baumaschinen und großen Feuerwehrfahrzeugen eingeparkten 90-16. Den hatten wir gar nicht auf der Liste und er sieht richtig gut aus. Wir drehen noch einmal um und fragen den Verkäufer nach dem Fahrzeug. Er sagt uns, dass das momentan sein bestes Pferd im Stall sei, er es uns aber aufgrund unserer zuvor geäußerten Budgetrestriktionen nicht gezeigt habe. Die Feuerwehr solle mit TÜV und H-Gutachten deutlich über 10.000 Euro kosten. Das ist schon ein harter Brocken, aber wir wollen wenigstens einen 90-16 heute fahren und bitten um eine Probefahrt. Der Verkäufer lehnt dies allerdings überraschend ab, da der Wagen hinter anderen Fahrzeugen eingeparkt sei, die er derzeit nicht wegfahren könne. Wir bedanken uns höflich und verlassen das Gelände, gehen aber noch im Büro vorbei, um uns zu verabschieden. Dort sind wir am Morgen sehr freundlich empfangen worden. In unserer Verabschiedung hakt der Juniorchef nach und möchte wissen, warum wir keines der Fahrzeuge gefahren sind. Den Grund erfahrend ruft er bei seinem Verkäufer an. In Folge dessen können wir die zuletzt gesehene Feuerwehr eine halbe Stunde später Probe fahren. Sie stammt ebenfalls aus Dortmund.

Mittlerweile ist es schön warm und die Sonne strahlt vom Himmel. Wir laufen zurück zum Betriebshof. Als wir am Tor ankommen ist der gewünschte Wagen bereits gestartet. Der Motor läuft sehr rund, das Abgas zeigt keine Spuren von verbranntem Öl und der rote LKW leuchtet im hellen Sonnenlicht. Der Weg zur Ausfahrt ist frei geräumt und wir erhalten rote Kennzeichen sowie die Papiere. Los geht’s! Wir fahren – d.h. Manuel lenkt und ich bin Beifahrer. Derzeit ist der Wagen ein 9-Tonner und ich darf das (noch) nicht fahren.

Zwei Kreisverkehre später rutscht das Batteriefach heraus und wir halten kurz an, um es wieder zu sichern. Dabei fällt uns auf, dass der LKW zwar läuft, die Elektrik aber nicht genug Leistung erhält, um die Lüftung sowie die Beleuchtung des Wagens zu betreiben. Zumindest nicht für längere Zeit. Wir entscheiden uns, zum Betriebshof zurückzukehren, um die Batterien noch etwas aufladen zu lassen. Wir nutzen die Zeit, um uns den Wagen genauer anzusehen. Nun steht er auch auf trockenem Asphalt, so dass wir drunter sehen können. Auch kippen wir das Fahrerhaus, um die Antriebstechnik genauer zu betrachten. Alles, was wir sehen, macht einen gut gepflegten Eindruck. Der LKW hat ja auch gerade erst knapp 39.000 km Laufleistung. Wir klappen das Fahrerhaus zurück. Endlich funktioniert auch die Elektrik – die Batterien sind wohl ausreichend geladen für die Probefahrt. Also starten wir erneut. Wir werden nicht enttäuscht. Dieser LKW läuft rund, beschleunigt und bremst einwandfrei und erreicht spielend seine Reisegeschwindigkeit. Wir sind uns sicher, wir haben Magnus gefunden. (Nebenbemerkung: Der Name stand schon seit dem Entscheid für einen Magirus fest.)

Zurück im Büro geht es an die Preisverhandlungen. Der Juniorchef kommt uns preislich noch ein wenig entgegen. Wir erhalten den Wagen mit TÜV, H-Gutachten und Ablastung auf 7,5 Tonnen garantiert. Alle notwendigen Reparaturen werden binnen der nächsten zwei Wochen ausgeführt. Dazu erhalten wir auf Wunsch noch einen Satz Kopfstützen, die bei Feuerwehren diesen Alters nicht üblich sind (genauso wenig wie Sicherheitsgurte übrigens). Das ist uns für die lange Überführungsfahrt nach Augsburg schon wichtig. Wir schlagen für einen Kaufpreis von 10.200 Euro ein.

Die Preisfrage

Dieser Preis liegt über unserem Maximalbudget. Warum tätigen wir den Kauf trotzdem?

Zunächst einmal haben wir beide bei genau dem Fahrzeug von der ersten Betrachtung an ein sehr gutes Bauchgefühl. Das kann man ja selten rational begründen, spielt aber für uns bei Entscheidungen eine große Rolle. Wir sind uns einfach sicher, dass wir Magnus gefunden haben.

Darüber hinaus können wir keine gravierenden Mängel am Fahrzeug entdecken, die man ohne Demontage von Teilen finden kann. Hinzu kommt die Zusicherung von TÜV und H-Gutachten durch den Händler. Für deren Erhalt ist ein technisch guter Zustand des Fahrzeuges nötig, über den sich der Händler offensichtlich sehr sicher ist. Daher erwarten wir keine grundlegenden Überraschungen.

Zuletzt haben wir überlegt, welche alternativen Optionen bestehen, wenn wir das Fahrzeug jetzt nicht nehmen. Der Markt ist gerade – bedingt durch Corona – etwas schwach. Es finden sich nur wenige neue Fahrzeuge, da die VEBEG ihren Betrieb gerade erst wieder aufnimmt. Wir werden neue Kaufoptionen finden, aber es kann dauern. Tage, Wochen, Monate – man weiß es nicht. Wir wollen aber gerne bald mit der Fahrzeugüberholung, dem Ab- und Neuaufbau beginnen. Und wenn wir nun ohne LKW wieder wegfahren, haben wir nicht nur unseren Magnus zurück gelassen. Wir müssen in jedem Fall weitere Reisekosten investieren, um andere Fahrzeuge anzusehen. Warum das, wenn dieser LKW doch alle unsere Wünsche erfüllt?

Das ist uns die leichte Überschreitung unseres Budgets wert und wir sind glücklich mit unserer Entscheidung. Mittlerweile handelt es sich ja sowieso um „sunk costs“ 😀

Weiterführende Links

Wer sich detaillierter über unsere Überlegungen zum Kauf informieren möchte, folgt einfach diesem Link.

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